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Spaç

Das Gefängnis Spaç ist ein ehemaliges Arbeits- und Gefangenenlager und liegt in den Bergen zwischen Rubik und Kukës im Norden Albaniens. Die langsam einstürzenden Gebäude an den steilen Hängen erinnern an die Gewalt der kommunistischen Diktatur unter Enver Hoxha, unter der die Menschen in Albanien über mehrere Jahrzehnte litten. Auf dieser Seite erfährst du die wichtigsten Hintergrundinformationen zu Spaç und wie du den düsteren Lost Place auf dem Balkan findest.

Der Weg zum Gefängnis Spac

Nur ein kurzer Abschnitt in meinem Reiseführer weist auf das Gefängnis Spaç im Norden von Albanien hin. Während ich im Garten meines Hotels in den Hügeln an einem kleinen Bach sitze, Kaffee trinke und durch die Seiten blättere, beschließe ich, dass ich dort hin fahren und mir das selbst ansehen will. Das Auto ist frisch repariert, eine Kleinigkeit, leicht zu beheben in der Werkstatt in Rubik. Es ist bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Noch ahne ich nicht, dass die Herausforderung größer als gedacht sein wird.

Von Rubik aus sind es rund 40 Kilometer bis nach Gurth Spaç, wo das Arbeits- und Gefangenenlager liegt. 40 Kilometer nach Osten, hinein in die Berge auf der Autobahn in Richtung Kosovo. Eine der besten Straßen Albaniens, gut ausgebaut, wenig befahren. Gleich bei Rubik die erste Poizeikontrolle. Wie üblich werde ich mit meinem deutschen Kennzeichen in Ruhe gelassen.

Im Übrigen werde ich während des ganzen Monats, den ich unterwegs bin, nur ein einziges Mal angehalten. Und das, obwohl die Kontrollen äußerst zahlreich sind. Das Vorderlicht funktioniere nicht, ein freundlicher Hinweis, Abschied mit High-Five, als Einheimischer wäre das nicht so, als Einheimischer hätte es mich etwas gekostet. Denke ich. So ähnlich wird es mir später mehrfach berichtet. Hier in Rubik werde ich heute nun aber nicht einmal angehalten.

Vorbei geht die Fahrt an Rrëshen durch die ausgetrocknete Landschaft, weiter bis ich die Ausfahrt bei Reps erreiche, von wo aus es nach Norden in ein enges Tal weitergeht. Sofort beim Verlassen der Autobahn verwandelt sich der Bodenbelag in Schotter. Verkehrsschilder gibt es hier wenige bis gar keine. Macht nichts, dank der Navigations-App finde ich den Eingang ins Tal hinter einer Baustelle. Es sieht aus, als würde eine kleine Staumauer gebaut, ganz genau kann ich es nicht erkennen. Die schweren Maschinen verschwinden dann auch schnell in der Staubwolke hinter meinem Auto.

Nun steigt die Schottertpiste steil den Berg hinauf, wird schmaler. Ich frage mich, ob das, was auf der Karte wie eine Straße aussah und als SH40 bezeichnet ist, mich wirklich zum Ziel führen wird. Doch so ist es in Albanien eben. Eigentlich wäre ein Allradantrieb hier das richtige. Bald schon ist die Piste nach Spaç nur noch ein kleiner Weg, der sich voller Furchen und Löcher den Hang hinaufwindet. Einige Zeit später steht ein einsamer Mann am Straßenrand. Erst nachdem er mir versichert, ich könne mit meinem Auto weiterfahren, lasse ich die Zweifel und ihn winkend hinter mir zurück. Drei Kilometer noch, meint er. Auf dem Boden liegen überall rote Erdbeeren, die von den Sträuchern oberhalb des Weges heruntergefallen sind.

Und nach weiteren Kurven und Talwindungen liegt das Gefängnis Spaç auf einmal vor mir. Das Auto parke ich am Straßenrand direkt vor dem ersten Gebäude. Es ist still hier oben. Am Grund des Tals gräbt sich ein kleiner Fluss durchs lose Gestein. Der Erdboden leuchtet metallisch rot. Weit und breit scheint niemand zu sein. Die Abgeschiedenheit unterstreicht das Unbehagen über die schlimme Vergangenheit dieses Ortes. Ein ruhiger, ein geschundener Flecken Erde.

Das Gefängnis Spaç von außen
Die Ansicht des Gefangenenlagers von Spaç von außen

Erinnerung und Zerfall

Die Menschen, die in den Jahren der albanischen Diktatur hier oben in Spaç eingesperrt waren, lebten milde ausgedrückt unter keinen guten Bedingungen. Die Gefangenen mussten in den umliegenden Kupferminen arbeiten oder wurden bis nach Rubik gebracht. In Rubik wurden sie zur Arbeit in den Fabriken gezwungen, wo man Silber und Gold schmolz. Heute sind die Industrieanlagen, genau wie das Lager Spaç, dem nagenden Zahn des Zerfalls überlassen. Auch das Stadtbild von Rubik ist wesentlich geprägt von diesen Anlagen.

Und ebenso hier oben ziehen heute nur der Wind und ich durch die Überreste des Gefängnisses. Eigentlich bestehen seit einigen Jahren Pläne für Spaç. Die Überreste des Arbeits- und Gefangenenlagers sollen zu einer Gedenkstätte für die Opfer der kommunistischen Diktatur werden. Doch das Geld fehlt, bis auf ein paar Informationstafeln vor den einzelnen Gebäuden des alten Gefängnisses Spaç ist nichts zu erkennen von der Instandhaltung. Inzwischen ist die Anlage seit etwa 30 Jahren verlassen. Und so verfallen die Mauern weiter, wird Metall aus dem Innern der Räume geplündert und ist die Zukunft ungewiss.

Die Sonne strahlt die Landschaft in ausgetrocknetes, staubiges Licht. 1973 gab es einen Aufstand im Gefängnis Spaç. Für ganze zwei Tage gelang es den Gefangenen, Spaç unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie hissten die Flagge Albaniens, die Flagge ohne den verhassten kommunistischen Stern in der Mitte der beiden Adlerköpfe. Als das kommunistische Regime das Lager wieder unter seine Kontrolle brachte, wurden die Anführer des Aufstands ermordet. Heute wird ihre Geschichte auf einer der Informationstafeln erzählt.

Auch wenn sich viele Systeme im 20. Jahrhundert mit der Bezeichnung Kommunismus oder Sozialismus schmückten, waren sie im Grunde alle etwas ganz anderes, nämlich faschistisch. Wenn überhaupt, dann durfte Kuba einen solche Bezeichnung verwenden.

Gebäude von Spaç
Gebäude des Gefangenenlagers Spaç

Am Ende meines Rundgangs sehe ich schon von weitem eine einsame Gestalt auf einem Weg von den Minen zu mir herunterkommen. Langsam gehe ich dem Mann entgegen. Wir rufen uns einen Gruß zu, geben uns die Hand. Eine gemeinsame Sprache haben wir nicht. Aber es gelingt ihm, mir zu erklären, dass er von der Polizei ist. Er bewache die Anlage. Ich vermute, vor weiterem Vandalismus und weiterem Diebstahl. Ob viele Menschen hier her zum Gefängnis Spaç kommen, frage ich.

Ich bin mir nicht sicher, ob meine Frage richtig zu verstehen ist. Jedenfalls sagt er ja. Doch ein Zweifel bleibt, zumindest in den Stunden, die ich hier oben verbringe, bekomme ich keinen anderen Menschen zu Gesicht. Die größte Betriebsamkeit ist das weit entfernte Klingeln von Schaf- oder Ziegenglocken. Wir winken uns nochmal zu, die Sonne brennt und im hellen Licht sehe ich nur noch seinen Umriss oben auf dem Hang. Dann gehe ich langsam zurück zum Auto und fahre den steilen Weg zurück ins Tal.

Kurz hinter der nächsten Kurve erblicke ich eine historische Fotografie, die auf einem Pfahl am Wegesrand hängt: Im Vordergrund sind die aneinandergeketteten Hände zweier Menschen zu sehen. Beide tragen etwas, das wie die Gefängniskleidung von Spaç aussieht. Im Hintergrund sind die Gebäude des Lagers Spaç zu sehen. Wie gut, dass diese Zeiten hier vorbei sind. Wie schlecht, dass diese Zeiten anderswo auf der Welt nicht vorbei sind. Und dass sie immer wieder kommen kann. Denn es ist so einfach: Was geschehen ist, kann auch wieder geschehen. Wir sind Menschen. Und nur mühsam können wir das Böse in uns unterdrücken.

Sicht auf das Gefängnis Spaç
Sicht auf das Gefängnis Spaç vom Weg aus

Die Anlage des Arbeits- und Gefangenenlagers Spac

Das Areal des Lagers Spaç umfasst mehrere größere und kleinere Gebäude. Die Anlage liegt oberhalb der unbefestigten Straße durch das Tal in der Nähe der Minenschächte. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tals liegt die Stelle, an der die Toten begraben wurden. Viele Menschen wurden in Spaç hingerichtet oder sind infolge von Arbeitsunfällen, Erschöpfung oder Unterernährung gestorben = ermordet worden.

Laut einer der Hinweistafeln wurden die Toten einfach vergraben. Ohne irgendeine Art von Zeremonie. Die Stelle, an der die Toten vergraben wurden, ist gut zu erkennen. Die Bäume dort sind jung, der Hang kahl.

Die Räume, in denen das Lagerpersonal und die Verwaltung untergebracht waren, sind mit am besten erhalten. Durch hohle Fenster und Risse kann man über die karge Bergwelt um Spaç herum schauen. Direkt nebenan geht es einige Stufen hinauf zu der Stelle, an der einst das Porträt des für die Verbrechen verantwortlichen Enver Hoxhas aufgestellt war.

Etwa 100 Meter weiter nördlich, vorbei am Gebäude des Lagerkommandanten, befinden sich die Räume der Gefangenen, die Küche, der Appellplatz und das Haus, in dem die Gefangenen unter strengen Vorgaben ihre Angehörigen treffen konnten.

Denkmal Gefängnis Spaç
Denkmal im Gefängnis von Spaç
Im Innern von Spaç
Im Inneren der Gebäude des Gefängnisses von Spaç
Die Ruinen von Spaç
Ruinen des alten Gefangenenlagers
Gedenkstätte Spaç
Eine abgeblätterte Inschrift als Gedenkstätte in Spaç
Spaç und das Gefängnis
Teile des Gefängnisses von Spaç
Historisches Foto von Spaç
Historisches Foto von Spaç, gegenüber hat man die Ermordeten vergraben

Weitere Informationen und Übernachten

Meine uneingeschränkte Empfehlung für das Übernachten in der Nähe von Spaç ist das Hotel Marub in Rubik. Das Hotel liegt etwa drei Kilometer außerhalb der Stadt in einem schönen und ruhigen Tal. Es gibt eine herrliche Terrasse direkt am kleinen Fluss, der durch das Tal fließt und ein Restaurant mit Bar. Außerdem ist das Personal super hilfsbereit und angenehm.

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Weiterführende Informationen in englischer Sprache zu Spaç sind zum Beispiel auf den Seiten des World Monuments Fund zu finden: wmf.org. Der World Monuments Fund zählt das Gefängnis von Spaç zu einer der wichtigsten Stätten des Gedenkens an die politischen Gefangenen der Diktatur von Enver Hoxha.

Ein sehr guter Reiseführer für Albanien ist der Reiseführer vom Trescher Verlag. Die aktuelle Auflage ist aus dem Jahr 2020 und damit recht aktuell. Auch Spaç wird darin zumindest kurz erwähnt.

Und hier findest du den wirklich sehr empfehlenswerten Reiseführer über Albanien. Auch über die Region um Spaç herum findest du darin einige Informationen.

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Einige weitere interessante verlassene Orte (nicht nur in Albanien) findest du in meinem Artikel Lost Place. Außer dem Gefangenenlager von Spaç gibt es in Albanien viele weitere verlassene Orte. Zum Beispiel kannst du das Kraftwerk von Fier besuchen.